Die Olympischen Spiele von Paris sind Geschichte – oder wie der Franzose sagen würde „C’est fini“. Während hierzulande derzeit alle heiß über mögliche Spiele in Deutschland diskutieren und der Sportförderung an den Kragen wollen, weil das Pariser Endergebnis nicht den Erwartungen entsprach, lasse ich das größte Sportfest der Welt noch einmal Revue passieren und werfe einen Blick auf Siege und Niederlagen, aufgehende Sterne und last dances, Überraschungen und Historisches.
Die Medaillengewinnerinnen
33 Medaillen hat Deutschland bei den Olympischen Spielen in Paris gewonnen. Zwölfmal glänzte die Medaille golden, dreizehnmal jubelten die Sportler über Silber und achtmal war das Edelmetall aus Bronze. Historisch schlecht wie nie. Zwar hat Deutschland mehr Goldmedaillen als in Tokio gewonnen, aber insgesamt waren es vier Medaillen weniger als drei Jahre zuvor. Ein Trend, der schon lange anhält.
Von den 33 Medaillen sind 17 von deutschen Sportlerinnen erzielt worden. Bei drei weiteren waren Frauen in Mixed-Wettbewerben beteiligt – und ich finde, jede Sportlerin verdient es, noch einmal namentlich erwähnt zu werden:
Rudern Doppelvierer: Maren Völz, Tabea Schendekehl, Leonie Menzel, Pia Greiten (Bronze)
Judo: Miriam Butkereit (Silber)
Kanuslalom C1: Elena Lilik (Silber)
Schwimmen 1500 m Freistil: Isabel Gose (Bronze)
Bogenschießen-Mixed: Michelle Kroppen mit Florian Unruh (Silber)
Dressur Team: Isabell Werth und Jessica von Bredow-Werndl mit Frederic Wandres (Gold)
Dressur Einzel: Jessica von Bredow-Werndl (Gold)
Dressur Einzel: Isabell Werth (Silber)
Triathlon Mixed-Staffel: Lisa Tertsch und Laura Lindemann mit Tim Hellwig und Lasse Lührs (Gold)
Bahnrad Teamsprint: Pauline Grabosch, Lea Sophie Friedrich und Emma Hinze (Bronze)
3×3-Basketball: Svenja Brunckhorst, Sonja Greinacher, Elisa Mevius und Marie Reichert (Gold)
Kanurennsport Kajak-Vierer: Sarah Brüssler, Jule Marie Hake, Pauline Jagsch, Paulina Paszek (Silber)
Weitsprung: Malaika Mihambo (Silber)
Kanurennsport Kajak-Zweier: Paulina Paszek und Jule Marie Hake (Bronze)
Fußball: Nicole Anyomi, Ann-Katrin Berger, Jule Brand, Klara Bühl, Sara Doorsoun, Vivien Endemann, Laura Freigang, Merle Frohms, Giulia Gwinn, Marina Hegering, Kathrin Hendrich, Sarai Linder, Sydney Lohmann, Janina Minge, Sjoeke Nüsken, Alexandra Popp, Felicitas Rauch, Lea Schüller, Bibiane Schulze Solano, Elisa Senß (Bronze)
Rhythmische Sportgymnastik: Darja Varfolomeev (Gold)
4×100 Meter Staffel: Alexandra Burghardt, Rebekka Haase, Gina Lückenkemper und Lisa Mayer (Bronze)
Kugelstoßen: Yemisi Ogunleye (Gold)
Golf: Esther Henseleit (Silber)
Bahnrad Sprint: Lea Sophie Friedrich (Silber)
Herzlichen Glückwunsch!
Von Ansprüchen und Enttäuschungen
Und wo es Gewinner gibt, gibt es meist auch Verl… Moment! In dem Zusammenhang will ich nicht von Verlierern sprechen. Menschen, die drei Jahre seit Tokio für ihren großen Traum alles geopfert haben, nur für diesen einen Moment, wo es klappen soll, aber es aus welchen Gründen auch immer nicht klappt, als Verlierer zu bezeichnen, wird der Sache nicht gerecht. Es wäre nur ein Draufhauen auf jemanden, der sportlich schon am Boden liegt.
Die Tränen, die Judoka Anna-Maria Wagner als amtierende Weltmeisterin nach der verpassten Bronzemedaille, im TV geweint hat. Das tränenerstickende Interview von Slalomkanutin Ricarda Funk, die sich nach dem Olympiasieg in Tokio so viel für Paris vorgenommen hatte, und die mit Familie und Freunde im Gepäck angereist war. Die Hockeydamen, die weinend auf dem Boden lagen, nach dem Shoot-Out-Aus gegen Argentinien im Viertelfinale. Oder auch Gesa Krause, die nach ihrem Rennen unzufrieden mit ihrer Platzierung war.
All diese Bilder sind mir noch im Kopf geblieben. Verlierer sind sie nicht. Es waren nur Ansprüche an sich selbst und an das eigene Leistungsvermögen. Das Wissen um das eigene Potenzial, welches sie haben, jedoch nicht abrufen und sich für die harte Arbeit nicht belohnen konnten. Genau das führt am Ende zu Enttäuschungen. Auch das ist Teil der Olympischen Spielen. Diese Sportlerinnen sind Olympionikinnen und immer noch Gewinner, denn sie haben dem Sport so viel gegeben.
Verletzungspech
Wo Sport ist, sind meist Verletzungen nicht weit und so gab es auch diesmal Verletzungspech im deutschen Team. Nina Mittelham verlor ihr zweites Match, als es ihr im zweiten Satz in den Rücken zog. Die Bandscheibe – und das Olympia-Aus! Schmerzmittel und die Behandlung durch den Teamarzt halfen nicht. Die DTTB-Damen mussten ohne Mittelham in den Teamwettbewerb starten, der sich am Ende auch ohne Medaille als Erfolg herausstellen sollte.
Auch Ringerin Annika Wendle blieb vom Verletzungspech nicht verschont. In ihrem Bronzekampf verletzte sie sich schwer am Knie und verpasste die Medaille. Die Diagnose: Anriss des hinteren Kreuzbandes und Außenbandriss. Zur Abschlussfeier rollte sie im Rollstuhl ins Stade de France. Gute Besserung!
Sensationen
Sensation – ein Wort das häufig in den Medien inflationär benutzt wird. Aber diese Medaille hat alle überrascht – und das Team wahrscheinlich am meisten. Ihr Ziel waren die Play-Ins, am Ende wurde es ein souveräner Sieg: Die deutschen 3×3-Basketballerinnen. Mit nur einer Niederlage haben Svenja Brunckhorst, Elisa Mevius, Sonja Greinacher und Marie Reichert das Turnier dominiert und sich völlig zurecht mit Gold belohnt. Das war historisch, denn für den DBB war es die erste olympische Medaille überhaupt.
Auch im Golf gab es die erste Medaille für Deutschland überhaupt. Zwar lag Esther Henseleit nach den ersten Runden aussichtsreich im Rennen, aber dass es am Ende zur Silbermedaille reichen sollte, war überraschend. Hochkonzentriert zeigte sie am letzten Tag eine herausragende Leistung. „Ich wusste, dass ich heute etwas Besonderes machen muss, um eine Medaille zu bekommen, und das ist mir gelungen.“, kommentierte Henseleit später.
Die stärksten Nerven
Als Topfavoritin in der Rhythmischen Sportgymnastik angetreten und einen kleinen Strauchler in der Qualifikation weggesteckt, als wäre es nichts: Die 17-jährige Darja Varfolomeev hat Nerven aus Stahl bewiesen und im Finale performt, als würde sie jeden Tag bei den Olympischen Spielen antreten. Wer so Gold gewinnt, hat Nerven aus Stahl – und das mit gerade einmal 17 Jahren. Wahnsinn!
Die Überraschung
Als Sensation wollte sie nicht gelten, eine kleine Überraschung war es schon. Yemisi Ogunleye ist Olympiasiegerin im Kugelstoßen. Bei der Europameisterschaft in Rom wurde sie noch Dritte. Nun hat sie es an die Spitze geschafft und ihren Medaillensatz bei Großevents nach Hallen-WM-Silber und EM-Bronze mit Olympiagold komplettiert. Mit einer Ruhe und voller Vertrauen in sich und in Gott stieß sie die Kugel auf bandgenaue 20 Meter und damit zu Gold. Nicht nur das war beeindruckend. Im anschließenden Sieger-Interview im ZDF sprach sie von „Wir sind Olympiasieger.“. Hinter jedem Erfolg steht auch ein Team. Großartig!
Neue Sterne am Himmel
Mit gerade einmal 18 Jahren hat sich Annett Kaufmann bei den Olympischen Spielen in den Tischtennis-Vordergrund gespielt und viele sehen sie als neuen Timo Boll. Den Vergleich zur deutschen Tischtennislegende kommentierte sie mit: „Ich will meinen Weg gehen. Und wenn ich am Ende so gut dastehe wie er, dann kann man meinetwegen sagen, dass ich die neue Timo Boll war.“ Ich finde Timo Boll klasse, dennoch freue ich mich in Zukunft mehr auf einen originale Annett Kaufmann als über eine zweite Timo Boll.
Deutschlands jüngste Olympiateilnehmerin Helen Kevric bezeichnete ihr Abschneiden bei den Olympischen Spielen als „eigentlich ganz gut“. Wer der großen Simone Biles den Platz im Stufenbarrenfinale streitig macht, um Sechste zu werden und vorher bereits im Mehrkampf Achte wurde, zählt damit zu den achtbesten Turnerinnen weltweit. Das finde ich mehr als ganz gut und freue mich auf eine rosige Turn-Zukunft.
Rekordjagd
Birgit Fischer galt zwei Jahrzehnte als Deutschlands erfolgreichste Olympioniken. Zwischen Moskau 1980 und Athen 2004 hat die Rennkanutin insgesamt achtmal Gold und viermal Silber gewonnen. Ein Rekord für die Ewigkeit! Aber Rekorde sind bekanntlich dazu da, um gebrochen zu werden. Und genau das ist Isabell Werth in Paris gelungen. Mit dem Mannschaftsgold und dem Einzelsilber in der Dressur ist Werth nun Deutschlands erfolgreichste Olympionikin. Dass sie Fischer nun überholt hat, kommentierte Werth mit den Worten: „Ich werde mit Birgit bald einen trinken gehen.“ Ob Isabell Werth ihre olympische Medaillensammlung in Los Angeles noch ausbauen wird, hat sie in Interviews bisher offengelassen.
Im Fußball wäre das nicht passiert
Einen Verlierer gibt es aus meiner Sicht doch: das ZDF. Im Halbfinale des 3×3-Basketballturniers der Frauen waren noch 24,8 Sekunden auf der Uhr. Bei einem Stand von 15:14 für das deutsche Team gegen Kanada schaltete das ZDF erst an die Werbung und anschließend an das heute journal. Wer nicht bereits über die Sportschau-App geschaut hatte, stand hier auf verlorenem Posten. Innerhalb von nicht einmal 25 Sekunden auf ein stremafähiges Endgerät zu wechseln und den passenden Stream zu finden, um die Schlussphase des hochspannenden Spiels zu sehen, grenzt an Hochleistungssport. Zwar entschuldigte sich das ZDF am nächsten Tag. Ich bin mir aber sicher, bei einem Spiel der deutschen Fußballnationalmannschaft der Männer wäre das niemals passiert.
Eigentlich sollte noch ein Abschnitt über Last Dances und eine Lobeshymne über Paris folgen. Das würde den Artikel sprengen. Am Ende waren es aus meiner Sicht tolle Spiele mit allen Höhen und Tiefen, die der Sport zu bieten hat. Ich freue mich schon auf Los Angeles 2028.